Grundsätzliche Überlegungen zur Theaterarbeit

eins

Ein Theater ist nicht allein ein Ort der Kunst, es ist gleichermaßen Treffpunkt und Ort der Kommunikation.

 

zwei

Das Theater soll ein kritischer und manchmal auch unbequemer Begleiter und Kommentator gesellschaftlicher Phänomene sein. Es muss immer auf die Geschehnisse der Welt reagieren – kann aber auch absehbare Entwicklungen vorweg nehmen. Es soll verstören und gleichzeitig Hoffnung und Halt geben. Es muss mutig sein und streitbar eindeutige Positionen beziehen. Es soll widersprüchlich sein und darf polarisieren. Es ist die Aufgabe des Theaters Affirmation zu verweigern und wieder Visionen aufzustellen. Auf der Bühne können sie überprüft und zum Erfolg geführt werden – auch wenn sie an der Realität scheitern. Nur wenn ein Theater sich nicht scheut, sich zu irren, kann es einer bleibenden Wahrheit nahe kommen.

 

drei

Über Theater nachzudenken und Theater zu produzieren, bedeutet immer auch Gesellschaft zu reflektieren. Die Zeit in der es ausreichend war, zeitgemäßes Theater über originelle ästhetische Konzepte zu definieren, ist mittlerweile endgültig Vergangenheit. Und das ist gut so, denn so sind alle Theaterschaffenden dazu gezwungen, sich zu positionieren. Heute ist ein Theater nur noch dann auf der Höhe der Zeit, wenn die Verwerfungen der Gegenwart dort erfahrbar werden, und wenn neben die ästhetischen Experimente auch ein Bewusstsein über die verhandelten Inhalte tritt.

 

vier

Hochwertiges Theater erfordert den Dialog mit dem Publikum, denn Theater ist niemals Selbstzweck. Die Zuschauer sind die wichtigsten Partner der Künstler, sind sie doch die Adressaten der künstlerischen Arbeit. Alle Produktionen eines Theaters müssen in einen Kontext gestellt werden, der die Rezeption erleichtert, Verständnis ermöglicht und Bezüge zu bereits Bekanntem aufdeckt.

 

fünf

Theater müssen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein und gleichzeitig Orte der künstlerischen Produktion und der kulturellen Vermittlung und Bildung sein. Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche muss für ein Theater, das durch öffentliche Mittel gefördert wird, eine Selbstverständlichkeit sein. Eine nachhaltige theaterpädagogische Arbeit, ein breites Informationsangebot für Lehrerinnen und Lehrer und auch Produktionen, die es jungen Menschen ermöglichen eigene Erfahrungen auf der Bühne zu machen, müssen die Spielpläne eines Theaters erweitern.

 

sechs

Theater müssen das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation immer wieder neu vermessen. Die Denkmäler der Literatur und der Musik müssen immer wieder für das Publikum interpretiert werden. Ein Theater verliert jedoch seine Existenzberechtigung, wenn es einen kulturellen Erkenntnisstand konserviert und aufhört, nach neuen Wegen der Deutung zu suchen. Gattungsvorbehalte dürfen nicht gelten: Es muss möglich sein, jeden interessanten Stoff für die Bühne zu adaptieren. Dabei muss die künstlerische Arbeit das Dilemma aushalten, dass die Welt, wie sie sich heute präsentiert, nicht mehr als Ganzes intellektuell fassbar ist. Sie ist nur noch in Ausschnitten erfahrbar. Das Theater wird nun zu einem Ort, an dem sich auch unauffälligste Ausschnitte raumgreifend zeigen können. Es ist ein Ort der Vielfalt, der sich doch der allgegenwärtigen Fragmentarisierung des Seins widersetzen kann. Es ist eine große Chance des Theaters in einer kulturell ärmer werdenden Welt, eine echte Alternative zum Mainstream der Unterhaltungsindustrie zu sein.

 

sieben

Theater ist gleichermaßen Produkt und Prozess. Manche Äußerungen eines Theaters brauchen Zeit, um sich dem Publikum erschließen zu können. Geduld wird dann zu einer wichtigen Tugend der Theaterschaffenden.

Doch Geduld allein reicht natürlich nicht, denn ein Theater muss immer für das Publikum sichtbar sein. Nur unter Verwendung klar erkennbarer Konzepte, aktueller und auffälliger Werbemittel, einer direkten Ansprache ans Publikum, einer intensiven Kommunikationsbereitschaft sowie engem Kontakten zu Medien und Multiplikatoren – kurz gesagt nur durch zielgerichtetes Marketing – lassen sich die Inhalte eines Theaters an ein breites Publikum vermitteln.

 

acht

Ein Theater muss immer für die Bürger und Bürgerinnen der Stadt und der Region arbeiten, in der es sich befindet. Nur durch eine sensible Reaktion auf die lokalen Gegebenheiten ist es möglich, die Zuschauer wirklich zu erreichen und über den einzelnen Vorstellungsbesuch hinaus an ein Haus zu binden. Das Ziel muss sein, ein Stadttheater zu einem Zentrum der ästhetischen, der gesellschaftlichen und auch der politischen Diskurse einer Stadt oder Region zu machen. Hierzu müssen Verbindungen zu anderen Institutionen geknüpft und gepflegt werden.

 

neun

Zeitgemäßes Theater muss auch den eigenen Nachwuchs fordern, fördern und ausbilden, denn nur durch die kontinuierliche Einbindung frischer künstlerischer Kräfte kann sich das Medium Theater immer wieder neu definieren und die Zeitgenossenschaft behalten, die es zu einer direkten und innovativen Kunstform macht.

 

zehn

Theater verpflichtet zur Teamarbeit und zum respektvollen Umgang mit allen Beschäftigten.